Donnerstag, 10. Oktober 2013

Ihr Lieben, ich habe jetzt auch eine Autorenseite auf Facebook :) Würde mich freuen, wenn ihr mich dort besuchen kommt!

https://www.facebook.com/VerenaRankRomance

Liebe Grüße,

Verena

Sonntag, 8. September 2013

Lebenszeichen ^^

Hallo meine Lieben!

in letzter Zeit ist es ziemlich ruhig um mich geworden, aber hiermit melde ich mich zurück.
Ich habe mir eine längere Schreibpause gegönnt und komme gerade frisch aus dem Urlaub. :)

Ich habe die Arbeit an einem meiner Manuskripte wieder aufgenommen und versuche, fleißig daran zu schreiben! ;)

Bis bald und liebe Grüße,

Eure Verena

Freitag, 10. Mai 2013

Licht und Schatten - Wildes Verlangen ... bald als ebook erhältlich!

"Licht und Schatten - Wildes Verlangen" wird bald bei Amazon als ebook erhältlich sein! Ich hoffe, euch gefällt das Cover. Ist mal etwas anderes als sonst ... 

Coverbild: @ panthermedia.net
Sandra Höfer



Seit Jahrhunderten herrscht Krieg zwischen Elfen und Vampiren. Der Vampirkrieger Derian hat den Auftrag, den Elfenprinzen Alandor zu entführen und in die dunkle Stadt der Vampire zu bringen. Doch es kommt anders als geplant: Als Licht und Schatten aufeinander treffen, scheint sich eine uralte Prophezeiung zu erfüllen und die Feinde geraten in einen Strudel aus Hass, Gewalt, Liebe und blutiger Begierde … 

Montag, 22. April 2013

Leseprobe: Licht und Schatten - Wildes Verlangen

Hallo ihr Lieben!

heute gibt es den Anfang meiner neuen Kurzgeschichte, die demnächst bei Amazon als eBook erscheinen wird. Viel Spaß!


Licht und Schatten - Wildes Verlangen
Fantasy - Gay Romance
von Verena Rank



Wenn die Zeit reif ist und Licht und Schatten einander begegnen, werden sich ihre Seelen vereinen, obgleich der Eine den Auftrag hat, den Anderen zu vernichten. Die Liebe jedoch ist stärker als Hass und Krieg. Gemeinsam wird ihre Macht gewaltiger sein, als jede andere zuvor. Die Herrschafft der Auserwählten wird Völker vereinen und aus der Verbindung wird eine neue Spezies hervorgehen. So ist es vorherbestimmt.

Alle wussten von dieser Prophezeiung. Die Lichtelfen in den Wäldern und die Vampire im finsteren Tal. Unter beiden Völkern gab es diejenigen, die all ihre Hoffnung auf die Auserwählten legten. Sie würden den Krieg endlich beenden und ihre Anhänger in eine neue Welt führen. Andere wiederum waren bereit, alles nur Erdenkliche zu tun, um solch eine Verbindung zu verhindern. Die Herrscher über Licht und Schatten waren seit Anbeginn der Zeit Feinde. Und so sollte es auch für alle Ewigkeiten bleiben …

Die Vampire bewegten sich lautlos und unbemerkt durch den nächtlichen Wald. Dank ihrer übernatürlichen Sinne durchdrangen sie Nebel und Dunkelheit mühelos. Niemand hatte ihre Feinde gewarnt, sie lagen in tiefem Schlaf. Seit Monaten herrschte Waffenstillstand zwischen dem stolzen Elfenvolk und den Geschöpfen der Nacht. Doch dieser Waffenstillstand diente nur einem Zweck: Die Elfen in falscher Sicherheit zu wiegen und ihre Unaufmerksamkeit zu erlangen.

Der Krieg zwischen Licht und Finsternis tobte schon so lange, dass sich niemand mehr erinnern konnte, wann und wie er genau begonnen hatte. Natürlich existierten Mythen darüber. Die Vampire glaubten daran, dass es einst ein mächtiger Lichtelf war, der ihre Spezies zu ewigem Schattendasein verflucht und damit diesen Krieg heraufbeschworen hatte. Bei den Elfen hingegen ging der Mythos um, der erste Vampir, der damals aus seinem finsteren Loch gekrochen war, hätte eine Elfenprinzessin entführt und grausam ermordet.
Wie bei jedem der vielen sinnlosen Kriege ging es um Macht und Vorherrschaft, die jeder für sich alleine beanspruchte. Beide Völker verfügten über herausragende Krieger und große Armeen und so war es bisher keinem gelungen, den anderen zu besiegen.
Die Vampire waren besessen von der Idee, die Elfen als Sklaven und Nahrungsquelle zu besitzen und sie ihren Stolzes zu berauben. Elfenblut war kostbarer als Gold, denn es verlieh unvergängliche Schönheit und steigerte übersinnliche Fähigkeiten. Das Imperium der Vampire, tief unter der Erde, stand der Größe des Elfenreiches in nichts nach. Die dunkle Stadt Horvath war so groß, dass es vier Tagesmärsche brauchte, um sie einmal zu Fuß zu durchqueren. Und von Horvath aus hatten sich die Vampire erneut aufgemacht, die Elfen zu bezwingen …

Derian war ein Schattenprinz und ein Vampirkrieger. Er führte eine der Truppen an, die das südliche Viertel des Lichtwaldes nach Alandor, dem Sohn des Elfenfürsten, absuchten. Sogar nachts war es hier nicht gänzlich finster und so brannte seine Haut, als würden kleine Flammen darauf tanzen. Doch er war fest entschlossen und die Schmerzen waren ein kleines Opfer für den Ruhm, den er erlangen würde, wenn er Alandor seinem Vater, dem Vampirfürsten auslieferte. Sie hatten den Auftrag, den Elfenprinzen mit Gewalt in die dunkle Stadt zu entführen. Dort würde man ihn solange festhalten und foltern, bis das Elfenvolk dazu bereit war, sich den  Vampiren zu unterwerfen und Blutopfer zu bringen.
Derian, Moldror und zwei weitere Vampirkrieger entfernten sich von der Truppe, um nach dem Elfenprinzen zu suchen. Die anderen Vampire sicherten das Gebiet ab. Derian hatte zuvor nicht gewusst, wo sich Alandor befand, es hätte jedes dieser prunkvollen Baumhäuser sein können. Eine plötzliche Eingebung hatte ihn hierher geführt und als er die beiden Wachen entdeckte, bestätigte sie sich. Er nickte Moldror zu, um ihn auf die Wachen aufmerksam zu machen.
„Kümmert euch um die beiden“, wisperte er in die Stille, die sonst nur vom Zirpen der Grillen durchbrochen wurde. Seine drei Begleiter hatten keine Mühe, die halb schlafenden Wachen auszuschalten, während er alleine die hölzerne Wendeltreppe hinauf stieg, die in das Quartier des Elfenprinzen führte. Es war ein starker Sog, der ihn zwang, den Raum zu betreten. Er hatte ihn gefunden, weil es so sein musste.

Derian schloss die Tür, ging um das Bett herum und näherte sich dem schlafenden Elfenprinzen. Alandors Anblick raubte ihm für einen Moment den Atem. Elfen waren bekannt für ihre überirdische Schönheit, doch dieser hier übertraf jegliche Vorstellung. Die Bettdecke, die bis zu seinen Hüften hinunter geglitten war, erlaubte einen Blick auf seinen Oberkörper. Die elfenbeinfarbene Haut war glatt und makellos, darunter zeichneten sich die Muskeln eines Kriegers ab. Goldblondes Haar umspielte das Kissen in sanften Wellen, wie der Ozean den Strand. Derian runzelte die Stirn. Seit er den Raum betreten hatte, war ihm, als wäre er nach einer endlosen Reise durch die ewigen Schatten endlich heimgekehrt. Seine Gedanken und Empfindungen machten sich selbstständig, sein Körper wurde von der Gestalt des Elfenprinzen geradezu magisch angezogen. Das konnte nur ein böser Zauber sein.

Derian versuchte, sich zu konzentrieren und legte die Fingerspitzen an seine pochenden Schläfen. Natürlich spukte ihm sofort die alte Prophezeiung durch den Kopf, doch das war absurd. Niemals … nicht er! Eher würde er sich eigenhändig einen Holzpflock durchs Herz jagen.
Derians Puls raste, als er sich hinunter neigte, um Alandor genauer zu betrachten. Seine langen schwarzen Haare vereinten sich mit den hellen Strähnen auf dem Kissen, als würden sie zusammengehören. In diesem Moment öffneten sich die schönsten Augen, die Derian jemals in seinem unsterblichen Leben erblickt hatte und er ahnte, dass er verloren war. So hatte der Himmel an einem strahlenden Sommertag ausgesehen. Die Erinnerung an längst vergangene Zeiten verursachte einen Stich in seiner Brust. Es war so lange her …

Dieses intensive Saphirblau vernebelte Derians Sinne und beraubte ihn jeglichen Denkvermögens. Seine Unachtsamkeit wurde sogleich bestraft. Plötzlich blitzte etwas Silbernes auf und er fand sich gegen die Wand gedrängt wieder - mit der Spitze einer Klinge an seiner Kehle. Das Absurde war, dass es ihm gar nichts ausmachte, solange er nur weiter in diese atemberaubenden Augen blicken durfte.

Alandor war mit einem Satz aus dem Bett gesprungen, seine Faust hatte den Griff des Schwertes vermutlich in dunkler Vorahnung bereits im Schlaf umklammert.
„Was willst du, Blutsauger?“ Die Schultern des Elfenprinzen bebten. Sein Haar fiel ihm über die nackte Brust und streifte den Bund seiner Stoffhose.
Aus reinem Instinkt heraus versuchte Derian den Elfen auf geistigem Wege zu erreichen, wie es nur Seelengefährten zu tun vermochten.
„Nie hätte ich gedacht, dass ich dich ausgerechnet hier finden würde.“

Alandor zuckte zusammen, seine Augen weiteten sich überrascht und entsetzt zugleich. Einen winzigen Moment wirkte er überwältigt, sprachlos. Doch dann verwandelte sich sein Gesichtsausdruck in Hass und er reckte stolz das Kinn. Die Spitze seines Schwertes drückte sich stärker gegen Derians Kehle.
„Versuch das erst gar nicht. Mich wirst du mit deinem Vampirzauber nicht beeindrucken können.“ Seine Stimme war rein und klar und hallte, als würden sie sich in einem großen Saal befinden. Derian spürte ein Rinnsal seines kalten Blutes an Hals und Brust hinunterlaufen. Entlang seiner Wirbelsäule begann es zu kribbeln, wenn er sich nicht beherrschte, würden seine Flügel ausbrechen. Das würde ihm gerade noch fehlen – dass er mit diesen riesigen, schwarzen Schwingen sein neues Hemd zerfetzte. Derian zwang sich innerlich, Ruhe zu bewahren und straffte die Schultern.

„Und du mich nicht mit deinem Silberschwertchen … Elfenprinz“, erwiderte er spöttisch und offenbarte Alandor fauchend seine Fänge. „Ich habe meine Waffe stets bei mir und ich kann dich damit in Stücke reißen, wenn ich will.“
„Nicht mehr, nachdem ich dein Herz durchbohrt habe“, zischte Alandor zurück, während er den Druck der Klinge verstärkte. Erst jetzt wurde Derian bewusst, wie nahe sie sich waren und was dies in ihm auslöste. Er konnte Alandors Atem an seiner Wange spüren. Diese Augen fesselten ihn so sehr, dass es ihm schwerfiel, sich ihrem Sog zu entziehen. Eine Welle der Erregung durchströmte Derians Körper. Er stieß einen Fluch aus und begann, ungeachtet der Klinge an seiner Kehle, sein Hemd aufzuknöpfen. Der irritierte Blick des Elfen hätte ihn beinahe laut auflachen lassen. Es gelang ihm gerade noch rechtzeitig, das Hemd abzustreifen, als sich seine Schwingen schon ihren Weg durch die Haut brachen. Der Schmerz war kurz, aber intensiv. Derian biss die Zähne aufeinander und knurrte. Seine nachtschwarzen Flügel entfalteten sich mit einem schlagenden Geräusch und überragten seinen Kopf um fast einen Meter. Alandor ließ die Klinge sinken, wich keuchend zurück und starrte ihn ungläubig an.

Sonntag, 3. März 2013

Die ersten zwei Kapitel aus "Gefangen im Zwielicht"

Ein romantischer Vampirroman, erschienen
2009 im dead soft Verlag



Prolog

Er stand im Schatten einer großen Eiche und beobachtete die Kinder bei ihrem Fußballspiel. Der Junge mit dem blonden Stoppelschnitt und dem fröhlichen Lachen war auch wieder da. Immer wieder huschte der Blick des Kleinen zu ihm herüber, aber nur seiner. Ein paar Mal musste er sogar zur Seite springen, damit ihn niemand über den Haufen rannte. Als wäre er unsichtbar. Obwohl der Junge nicht älter als elf oder zwölf Jahre alt sein konnte, wirkte er sehr erwachsen. Das Funkeln in seinen blauen Augen, wenn er auflachte. Das überlegte Spiel und wie er die anderen zur Ordnung rief, wenn sie herumalberten und nicht bei der Sache waren. Er stand in dem improvisierten Tor aus zwei am Boden liegenden Jacken und ging in Position. Als sich der Junge nach ihm umsah, riss er jedoch die Augen auf und rief etwas, das wie eine Warnung klang. Doch er konnte nichts verstehen.
Panik stand im Gesicht des Kindes geschrieben, die auch ihn rasch ergriff. Das Fußballspiel war vergessen, als der Junge auf ihn zurannte
und die Hand nach ihm ausstreckte.
Er stand da, wie versteinert, als hielten ihn unsichtbare Arme mit
Gewalt zurück. Da weinte der Junge. Heftige Schluchzer. Die Wangen
waren gerötet, seine blauen Augen von Schmerz erfüllt. Er lief schneller
und konnte ihn doch nicht erreichen.
Und dann kam der Nebel. Eine dichte, dunkle Nebelwand die beide
voneinander trennte und alles verschlang. Die Bäume, den Himmel
und die Sonne. In ihrem letzten Strahl stand der Junge, die Arme um
sich selbst geschlungen, als spürte er die Gefahr, die im Dunkeln lauerte.

Auch er hatte Angst im Dunkeln. Immer schon. Ein Blitz zuckte
durch die Nebelwand. Erst gleißend weiß, dann blau und schließlich
blutrot, wenn sich das Licht im Rubin des Siegelringes brach, der für
einen Moment über ihm schwebte. Ein goldener, auffälliger Siegelring,
auf dem in goldenen Lettern ein „W“ eingraviert war. Und wieder
gellte dieses Lachen durch den Nebel. Irre und triumphierend, manchmal
sogar glücklich. Der Nebel wich unendlicher Finsternis, die ihn
endgültig verschluckte.



Er erwachte durch seinen Schrei und saß aufrecht im Bett. Sein Herz raste und die Lungen schmerzten unter seinen tiefen Atemzügen. Es war immer derselbe Traum und erneut ergriffen sie Besitz von ihm:
Undefinierbare Gefühle der Sehnsucht und der Schmerz von Verlust.
Er strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn, sein Blick fiel auf die kleine Lampe, die die ganze Nacht über brannte und den darunterstehenden Digitalwecker. Die grün leuchtenden Ziffern sprangen
gerade auf 17:18 Uhr. Höchste Zeit, aufzustehen.


Kapitel 1

Vater und ich saßen im Konferenzraum. Selten genug, dass wir
beide bei einem Angebot dabei waren, aber dieser Zenker hatte
nicht gerade das, was man einen guten Ruf nannte. Also beobachtete
ich den Kerl ganz genau, schon vorhin, als er vor der Glastür
innegehalten und den Knoten seiner Designerkrawatte zurechtgerückt
hatte. Nun saß er uns gegenüber, und ich war gespannt, was
der Typ zu sagen hatte. Er kämmte sich mit den Fingerspitzen
durch das Haar, während er sich umsah. Sein starrer Blick blieb
einen Moment an Vaters Kommode hängen; er besaß Ähnlichkeit
mit einem Hai, kurz vor dem Angriff.
„Das ist ein schönes Stück, das sie da stehen haben, Herr Bergmann.
Ist das Teakholz?“, fragte er mit einem Dr.Best-Lächeln.
Vater nickte.
„Malaysia, Achtzehntes Jahrhundert. Zwei der Goldgriffe musste
ich allerdings ersetzen lassen.“ Stolz schwang in seiner Stimme mit.
Er hätte auch sagen können: „Ja, das bauchige Ding habe ich auf
meiner Hochzeitsreise gekauft.“
Ich konnte mich noch gut an den Urlaub erinnern. Es war der
erste mit meiner Stiefmutter und auch einer der schönsten. Vater
und Ines händchenhaltend am weißen Sandstrand, der Geruch des
Meeres. Ich hörte fröhliches Kinderlachen und das Kreischen der
Möwen, als wäre es erst gestern gewesen. Ich war acht Jahre alt und
in diesen Wochen wohl das glücklichste Kind auf der Welt. Vielleicht
wäre ich noch glücklicher gewesen, hätte ich nicht diese
braune Badehose tragen müssen, auf der leuchtend gelbe Bananen
abgebildet waren.
Zenker räusperte sich und riss mich aus meinen schönen Erinnerungen.
„Kommen wir zum geschäftlichen Teil. Ich möchte Sie nicht
drängen, aber ich habe noch weitere Interessenten für das Haus. Ein
solch lukratives Angebot bekommen Sie nicht alle Tage.“ Er entblößte
seine weißen Zähne zu einem überfreundlichen Lächeln und
kritzelte etwas auf einen Block. Er zuckte ständig mit dem Bein, so
dass der große Tisch und sein Laptop, das er gerade aufklappte,
vibrierten. Ich sah zu Vater hinüber, er nickte kaum merklich. Er
verstand mich auch ohne Worte. Wir waren ein eingespieltes Team
– beruflich und auch privat.
„Geben Sie uns bis morgen Bedenkzeit“, sagte er.
Zenker schüttelte energisch den Kopf, das Zucken seines Beines
wurde stärker.
„Sie werden sich gleich entscheiden müssen. Ich treffe heute noch
zwei weitere Interessenten.“
Eine glatte Lüge. Aber da war mehr als nur der verzweifelte
Wunsch, möglichst schnell Geld zu verdienen, oder die mangelnde
Liquidität, an die er die ganze Zeit gedacht hatte. So laut, dass ich es
nicht einmal hätte überhören können, wenn ich es gewollt hätte.
Irgendetwas stimmte nicht mit dem Haus. Etwas, das über bloße
Gebrauchspuren hinausging.
Bei der Besichtigung war ich nicht dabei gewesen, doch das war
auch gar nicht nötig.
Ich drang in seinen Geist ein und brauchte nicht lange, um alles
direkt vor mir zu sehen. Nur mit großer Mühe konnte ich meinen
Zorn zurückhalten.
„Ich würde gerne die oberen Stockwerke noch einmal sehen“,
sagte ich und wunderte mich über die Ruhe in meiner Stimme.
Zenkers Gesichtszüge entgleisten. Er trommelte mit den Fingerspitzen
auf das Glas des Konferenztisches, seine Augen verengten sich zu Schlitzen.
„Ich glaube nicht, dass dies nötig ist. Meine Mitarbeiterin hat
Ihrem Vater bereits alles gezeigt.“ Er bemühte sich wirklich um
einen angemessenen Ton, aber ich hörte, was er über das arme
Mädchen dachte, das keinen blassen Schimmer davon hatte, was für
ein Verbrecher ihr Chef war.
„Das sehe ich anders“, entgegnete ich und lächelte so strahlend,
wie Zenker zu Beginn unseres Gespräches.
„Und wenn wir schon dabei sind – die rostigen Wasserleitungen
im Keller möchte ich auch sehen. Die brechen vermutlich auseinander,
falls eine der Ratten da unten einen Furz lässt.“
Aus den Augenwinkeln sah ich, dass Vaters Schultern vor Lachen
bebten. Zenker schnappte nach Luft, und seine Augen verdunkelten
sich, als würden Gewitterwolken darin aufziehen. In der Tat konnte
ich den Sturm schon spüren, als Zenker ihn noch gar nicht realisiert
hatte. Ich unterdrückte ein Grinsen. Armer Idiot. Er hatte sich einfach
die Falschen ausgesucht. Aber wie sollte er auch ahnen, dass
ich all die Dinge sah, die in seinem Kopf vorgingen?

Zenker zerrte an seiner Krawatte, als wäre sie eine Schlinge um
seinen Hals. „Ich versichere Ihnen, das sind alles Kleinigkeiten, die
werden selbstverständlich noch instand gesetzt“, brachte er gepresst
hervor. „Wie kommen Sie überhaupt auf ...“
„Etwa wie der Dachboden?“, unterbrach ich ihn. „Mein Vater
berichtete mir, dass alles noch etwas frisch aussieht. Als wäre es …
sagen wir … vorgestern mal eben mit Sandfarbe gestrichen worden?“
Zenker quollen die Augen aus den Höhlen, er erinnerte mich
plötzlich an einen Karpfen, so wie er seinen Mund auf und zu
klappte.
„Jetzt reicht es aber! Glauben Sie, ich habe meine Zeit gestohlen?“
Er sprang vom Stuhl und stapelte seine Unterlagen. „Das hab
ich bestimmt nicht nötig.“
Oha, der Karpfen wurde wieder zum Hai. Vater hob den Kopf
und blickte Zenker ruhig an. Nur das Zucken in seinen Augenwinkeln
verriet mir, dass er kaum noch an sich halten konnte.
„Beruhigen Sie sich, Herr Zenker. Mein Sohn hat Sie doch nur um
eine klare Auskunft gebeten. Kein Grund, laut zu werden.“
„Von wegen um etwas gebeten!“ Zenker fuchtelte mit dem Zeigefinger
vor seinem Gesicht umher und warf mir einen wütenden
Blick zu. „Das sind absurde Anschuldigungen! Mit solchen Leuten
muss ich keine Geschäfte machen!“
Wieder eine glatte Lüge, aber die hätte jeder durchschaut, ganz
ohne Gedankenlesen. Ich stand auf und sah auf ihn hinunter. „Auf
Geschäfte mit Ihnen können wir verzichten“, sagte ich unwirsch.
„Sehen Sie lieber zu, dass Sie Ihren Arsch hier raus bewegen, bevor
ich mich vergesse und Ihnen Ihr Laptop hineinschiebe!“
„Leon.“ Vater erhob sich und warf mir einen warnenden Blick zu.
„Ist doch wahr.“
Zenker entgegnete nichts mehr. Er klappte das Laptop zu und
stopfte seine Unterlagen in seinen Aktenkoffer. Mit beiden Sachen
unter den Arm geklemmt verließ er ohne Gruß Vaters Büro und
schlug eilig die Tür hinter sich zu.

„Dem ist der Arsch aber gewaltig auf Grundeis gegangen.“ Ich
lockerte meine Krawatte. „Den sehen wir nicht wieder“, stellte ich
zufrieden fest.
Vater musterte mich über die Gläser seiner Lesebrille.
„Ich hab mir doch gleich gedacht, dass mit dem Kerl etwas nicht
stimmt. Was hast du in seinen Gedanken alles gelesen?“
„Eine Menge. Mir ist ganz schlecht davon.“ Ich imitierte Kotzgeräusche.
„Er kauft halb verfallene Hütten und lässt sie durch
Schwarzarbeiter dürftig sanieren. Die Schäden sind sehr geschickt
vertuscht und ausgebessert worden. Er verwendet die billigsten
Materialien, teilweise fehlerhafte Ware vom Schwarzmarkt. Natürlich
will er die Projekte dann so schnell wie möglich loswerden,
damit er sich aus dem Staub machen kann. Robert Zenker ist nur
eines seiner Pseudonyme.“
Vater schüttelte den Kopf.
„So ein Dreckskerl. Ich möchte wissen, wie viele Menschen dieser
Gauner schon reingelegt hat.“
„Das willst du nicht, glaub mir. Aber nicht mit Bergmann Immobilien“,
antwortete ich. „Das würde ich niemals zulassen.“
Vater seufzte. „Ohne dein Eingreifen hätte ich das Haus womöglich
gekauft“, stellte er betroffen fest. „Du bist unglaublich.“
„Pass auf, sonst könnte ich mir noch was darauf einbilden.“
Er lachte. „Na komm, wir haben einen Termin. Hoffentlich nicht
noch so ein Verbrecher. Einer am Tag reicht vollkommen.“
Eine halbe Stunde später saßen wir in Vaters bevorzugtem
Geschäftsessen-Restaurant. Ich zupfte gedankenverloren an den
Spitzen des Mitteldeckchens, auf dem eine Glasvase mit frischen
Blumen stand. Das Restaurant war im Stil der dreißiger bis vierziger
Jahre eingerichtet, an den Wänden prangten in Gold gerahmte
Bilder von Ikonen dieser Zeit, wie Edith Piaf, Humphrey Bogard
oder Hans Albers. Ich persönlich bevorzugte ja coolere Kneipen wie
„Dee’s Bar“ oder das „Underground“, aber mir war natürlich auch
klar, dass man dort schlecht Geschäfte abschließen konnte. Außerdem
konnte ich mir Paps nur schwer in einer Diskothek vorstellen,
in der halbnackte Frauen zu Technomusik in Käfigen tanzten.

„Leon. Hörst du mir überhaupt zu?“
Ich zuckte zusammen und blickte ihn über den Tisch hinweg an.
„Entschuldige Paps, hast du was gesagt?“
„Ich sagte, dass ich sehr stolz auf dich bin und nicht wüsste, was
ich ohne dich täte. Der Vorfall heute war ja wieder mal Beweis
genug. Ich mach das Geschäft schon so lange, aber ich habe die Ausbesserungen
wirklich nicht gesehen.“
Ich winkte ab und klappte die Speisekarte auf.
„Für irgendetwas muss ich ja schließlich gut sein“, lachte ich. „Zur
Feier des Tages darfst du mich zum Essen einladen. Ich hab einen
Riesenhunger.“
Vater schüttelte belustigt den Kopf und wollte sich ebenfalls die
Karte nehmen. Dabei stieß er zwei Weingläser um, die klirrend
über den Tisch rollten. Ich lugte über den Rand der Speisekarte und
grinste schadenfroh, während Vater, sich der neugierigen Blicke der
anderen Gäste bewusst, hektisch die Gläser wieder aufstellte.
Er schielte zu mir herüber. „Das ist nicht lustig“, sagte er streng,
doch sein Tonfall wurde von einem Lächeln um die Mundwinkel
gemildert. Ich klappte die Karte zu und legte sie auf den Tisch.
„Vielleicht nicht lustig, Paps, aber typisch für dich. Du hättest
dein Gesicht eben sehen sollen. Bleib cool, Mann.“
Er verdrehte die Augen und rieb sich den graumelierten Kinnbart.
„Jetzt schau nicht so böse.“ Ich ahmte ihn nach, indem ich die
Brauen zusammenzog und lehnte mich entspannt in meinem Stuhl
zurück. „Wer ist eigentlich der Mann, der uns diesen Laden in der
Oranienstraße verkaufen will?“
Vater zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nur, dass er Serban
Grigorescu heißt, mehrere Immobilien hier in Berlin besitzt und in
Grunewald lebt. Ich habe ein paar Mal mit ihm telefoniert. Sein
Sohn wollte an seiner Stelle kommen.“ Er blickte auf seine Armbanduhr.
„Er müsste jeden Augenblick da sein.“
Ich erhob mich. „Würdest du mir bitte ein Pils bestellen? Wir
sollten die Gelegenheit nutzen, solange die Gläser noch stehen. Ich
komme gleich wieder.“
„Das muss ich mir noch gut überlegen“, hörte ich ihn amüsiert
antworten, während ich mich bereits auf halbem Weg zu den Toiletten
befand. Eine Bedienung kam mir entgegen und lächelte mir freundlich zu.
Sie war hübsch, dunkle Locken umrahmten ihr zartes Gesicht. Ich spürte,
dass sie nervös war und las ihre Gedanken, trotz meiner guten Vorsätze,
meine Fähigkeiten lediglich für berufliche Zwecke zu nutzen.
Sie fand mich süß … und sexy. Ich grinste in mich hinein. Besonders gefielen
 ihr meine blauen Augen und die Art, wie ich mein dunkles Haar trug.
Wenn ich an ihr vorbeigegangen war, wollte sie einen Blick auf meinen Hintern werfen.
Ich lächelte zurück, worauf sich ihre Wangen rot färbten und unterbrach
dann schnell die Verbindung. Es war nicht fair, aber ab und
zu musste ich einfach wissen, was in den Köpfen der Menschen
vorging. Vor allen Dingen beim weiblichen Geschlecht konnte ich
meine Neugier kaum zügeln.

Als ich wenig später zurückkam, saß Vater nicht mehr allein am
Tisch. Er unterhielt sich mit einem Mann. Beide erhoben sich. Der
Blick des Fremden kreuzte sich mit meinem, und als Erstes nahm
ich seine ungewöhnliche Blässe wahr. Sofort spürte ich die geheimnisvolle
Aura, die ihn umgab. Seltsamerweise war mir, als wäre ich
ihm schon einmal begegnet, doch an so einen Kerl würde ich mich
mit Sicherheit erinnern. Er sah aus, wie einer dieser Typen, die für
Parfüm warben. Seine Gesichtszüge waren weich und doch wirkte
er sehr männlich. Sein blondes Haar hatte er im Nacken zu einem
Zopf gebunden, gekleidet war er in einen cremefarbenen Anzug
und ein schwarzes Hemd. Meine kleine Schwester wäre sicherlich
hin und weg von ihm gewesen.
„Darf ich dir Alexei Grigorescu vorstellen? Seinem Vater gehört
das Gebäude, das wir nachher besichtigen werden. Herr Grigorescu,
das ist mein Sohn Leon. Er ist mein Partner.“ Vater blickte zwischen
uns hin und her.
„Guten Tag, Herr Grigorescu.“ Ich reichte ihm die Hand. Sie war
kühl, er besaß einen kräftigen Händedruck.
„Freut mich, Herr Bergmann“, erwiderte er mit einem Lächeln,
das ebenmäßige, weiße Zähne entblößte. Seine Stimme klang unerwartet
tief, aber sanft. Ich versuchte, in seinen Geist einzudringen.
Schneller, als ich erwartet hatte, entstand eine Verbindung, doch
plötzlich sah er mich mit einer Mischung aus Erstaunen und Überraschung an,
in seinen grünen Augen blitzte es auf. Ich spürte einen unsichtbaren Schutzwall,
der sich um seinen Geist legte. Es war nun unmöglich zu sehen, was in seinem Kopf vorging.
Ich war froh, als Vater sich nach dem Gebäude erkundigte und
wir uns setzten. Die Bedienung kam an den Tisch und nahm die
Bestellung auf. Ihre Gedanken konnte ich sofort wieder lesen und
was sie über Alexei Grigorescu dachte, war nicht gerade jugendfrei.
Sie verdrehte sich fast den Hals nach ihm, als sie ging, um die Bestellung
abzuliefern.

Während des Essens plauderten wir über das Immobiliengeschäft,
und ich überlegte, ob ich einen weiteren Versuch unternehmen
sollte, in Grigorescus Geist einzudringen. Vielleicht hatte ich mir
vorhin nur eingebildet, er würde mich mental abblocken? Wahrscheinlich
war ich nur unkonzentriert. Bisher war es mir immer
gelungen, mich auf telepathischem Wege in die Gedankengänge
unserer Geschäftspartner einzuschleichen. Grigorescu war offensichtlich
ein hartnäckiger Fall.

Nach dem Essen gingen wir zusammen die Papiere und Pläne
durch und unterhielten uns ungezwungen über verschiedene Themen.
Die Grigorescus besaßen mehrere Grundstücke und Gebäude
in Berlin und im Ausland, die sie vermieteten und auch teilweise
zum Kauf anboten. Während des Gesprächs spürte ich eine merkwürdige
Spannung. Grigorescu schien unnahbar und geheimnisvoll.
„... und so haben wir uns entschlossen, das Gebäude zu verkaufen“,
beendete Alexei seinen Satz, während mich sein stechender
Blick traf. Ich hob mein Glas und fixierte rasch das Schwarzweißbild
von Hans Albers.
„Er war ein begnadeter Schauspieler“, bemerkte Alexei, der meinem
Blick gefolgt war. „Ich habe ihn einmal in Hamburg getroffen.“
Er nippte an seinem Rotwein. „Ist jedoch schon eine ganze Weile
her.“
Vater lachte über den Witz, ich konnte mir ein Grinsen nicht
verkneifen.
„Na klar“, antwortete ich belustigt. „Leben Sie schon immer in
Berlin, Herr Grigorescu?“
„Ursprünglich stammen wir aus Rumänien, wir kamen hierher,
als ich noch ein Kind war.“

Während er sprach, hörte ich in meinem Kopf eine Stimme flüstern:
Du bist hinreißend … wunderschön.
Ich sah mich überrascht um. Wessen Gedanken hatte ich denn
jetzt schon wieder versehentlich gelesen? Am Tisch neben uns saß
ein älteres Paar. Links davon in einer Ecke tuschelten drei Damen,
die aussahen, als kämen sie gerade von einem Treffen der unbefriedigten
Hausfrauen. Sie tranken Prosecco und rauchten Kette. Also
von schön und hinreißend war hier weit und breit keine Spur. Vielleicht
sollte ich lieber Wasser trinken, statt Bier.
„Wir würden uns das Gebäude gern ansehen, Herr Grigorescu,
sollen wir fahren?“, unterbrach Vater meine Gedankengänge.
„Gerne. Darf ich Sie in meinem Wagen mitnehmen, Herr Bergmann?“
Alexei musterte mich. Ich war überrascht, nickte jedoch.
„Natürlich.“
„Das ist gut“, nickte Vater. „Ich wollte ohnehin unterwegs noch
einen Brief einwerfen, lass dich von Herrn Grigorescu schon mal
herumführen, ich komme sofort nach.“ Er ließ mir gar keine Zeit zu
antworten, schnappte seine Autoschlüssel vom Tisch und nickte
uns zu. „Kümmern Sie sich nicht um die Rechnung, die ist schon
bezahlt. Bis gleich, ich beeile mich!“, rief er hektisch über seine
Schulter, und schon war er verschwunden.
„Ist Ihr Vater immer so impulsiv?“, erkundigte sich Grigorescu
amüsiert.
Ich zuckte mit den Schultern und nickte. Der Klang seiner Stimme
verursachte mir Gänsehaut, ich wusste nicht, woran das lag. Der
Typ war irgendwie seltsam. Er konnte höchstens vier oder fünf
Jahre älter sein als ich, aber er drückte sich aus, als stammte er aus
dem vorletzten Jahrhundert. Mit einem Mal war mir warm, und ich
war froh, als wir kurz darauf auf die Straße traten. Dass es in diesen
Restaurants auch immer so stickig sein musste.

Viele Menschen nutzten den warmen Spätsommerabend zu einem
Spaziergang, und so waren die Straßen gesäumt von schlendernden
Pärchen, lachenden Kindern und Grüppchen von Jugendlichen.
Alexei zog eine dunkle Sonnenbrille aus der Brusttasche seines
Jacketts.
„Kommen Sie, mein Wagen steht dort hinten.“ Er deutete mit einer einladenden Geste die Straße hinunter und setzte die Brille auf. Ich grinste. Die Sonne war nicht mehr so stark, dass man eine
Sonnenbrille brauchte, doch wahrscheinlich wollte er cool aussehen.
Kurz darauf saßen wir in seinem silberfarbenen Audi R8 auf dem
Weg zu dem leer stehenden Geschäftsgebäude. Unterwegs sprachen
wir kaum ein Wort, und ich war froh darüber. Ich fühlte mich seltsam
in seiner Nähe. Fremdartige Schwingungen umgaben ihn, die
ich nicht deuten konnte. Die Tatsache, dass meine mentalen Fähigkeiten
bei ihm nicht funktionierten, machte mich langsam nervös.
Ich hatte eine dunkle Vorahnung, was dies bedeuten konnte.
Alexei schloss die Tür auf und bedeutete mir, vor ihm einzutreten.
Als ich an ihm vorbei ging, stieg mir ein angenehmer Duft in die
Nase, der von ihm ausging. Erneut fragte ich mich, warum ich seine
Gedanken nicht lesen konnte.
Weil Sie nicht alles wissen müssen, Leon. Übrigens ist der Duft von
Karl Lagerfeld.
Mir stockte der Atem, und ich fuhr herum. Alexei war damit
beschäftigt, die Tür abzuschließen.
„Ich hoffe, das Tageslicht, das durch die Fenster dringt, genügt
Ihnen. Der Strom ist bereits abgeschaltet“, informierte er mich und
wandte sich zu mir um.
Ich starrte ihn perplex an.


Kapitel 2

Alexei kam im Halbdunkel auf mich zu und nahm die Sonnenbrille
ab. „Alles in Ordnung?“ Für den Bruchteil einer Sekunde tanzten
Lichter in seinen Augen, als würde er winzige Blitze daraus abfeuern.
Ich blinzelte irritiert und versuchte, mir nichts anmerken zu
lassen. Vielleicht war es ja nur ein Scheinwerfer von einem vorbeifahrenden
Auto gewesen.
„Ja, alles bestens.“ Ich wandte mich rasch ab und sah mich um. Im
Laden befanden sich einige angestaubte Regale und eine Verkaufstheke
aus Holz. Ich ging darauf zu und strich mit der flachen Hand darüber.
„Sie sagten, zuletzt war ein Blumenladen hier?“
„Ja, das ist richtig.“ Seine tiefe Stimme war plötzlich direkt hinter
mir, der Luftzug seines Atems streifte meinen Nacken. Wie hatte er
sich so schnell und geräuschlos nähern können? Als ich mich umdrehte,
blickte ich geradewegs in seine tiefgrünen Augen. Eine geballte
mentale Kraft traf auf meine Sinne, mir wurde schwummrig.
Ich wich so weit zurück, bis ich mit dem Rücken an die Theke
stieß und stierte ihn an.
Haben Sie etwa Angst vor mir, Leon?
„Was? Wieso sollte ich Angst vor Ihnen haben?“ Ich schüttelte
belustigt den Kopf. Erst jetzt fiel mir auf, dass sich seine Lippen gar
nicht bewegt hatten. Meine Hände krallten sich fester in das Holz
der Theke, die Zahnräder in meinem Gehirn arbeiteten auf Hochtouren.
Und schlagartig fiel es mir wie Schuppen von den Augen.
„Du ... Sie sind ein Telepath!“, stieß ich atemlos hervor. Ich hätte
es schon im Restaurant bemerken müssen, wo war mein mentales
Einfühlungsvermögen geblieben?
„Genau wie Sie.“ Er neigte sich vor und legte die Hände neben
meinen auf der Theke ab, worauf ich mich instinktiv zurücklehnte.
„Ich habe noch nie einen Menschen getroffen, der wie ich die Gabe
des Gedankenlesens besitzt“, stellte er fest und wirkte beeindruckt.
Je länger ich in seine Augen blickte, desto eigenartiger fühlte ich
mich. Kein Geräusch drang mehr an meine Ohren, als hätte ich
Watte darin. Ich spürte einen starken Sog, dem ich mich nicht entziehen konnte.
Ich war auf so etwas nicht vorbereitet. Der Raum zwischen uns schien zu vibrieren,
als würde ich mich auf einem magnetischen Kraftfeld befinden. Ich war unfähig, selbstständig zu
denken und zu fühlen. Mein Puls pochte unangenehm an meinen
Schläfen und hallte in meinem Kopf wider. Ich erschrak, als ich
mich bei dem Gedanken ertappte, wie unverschämt gut der Kerl
aussah. Beinahe überirdisch schön. Das Grün seiner Augen besaß die
Farbe von schimmernden Smaragden. Seine helle Haut schien wie
feinster Marmor in ihrer Makellosigkeit und das blonde Haar umrahmte
das Bild perfekt. Ich sah den Anflug eines triumphalen
Lächelns auf seinen Lippen und musste seinem Blick standhalten, so
sehr ich mich auch dagegen sträubte. Meine Beine wurden taub,
und ich hatte das Gefühl, von innen heraus zu verglühen.
Scheiße, war ich froh, als jemand gegen die Glasscheibe der Tür
klopfte. Ich schnappte nach Luft. Es war, als würde mich jemand
aus einem Tagtraum reißen.

„Leon? Herr Grigorescu?“
Alexei wich so abrupt zurück, dass ich seiner Bewegung mit
bloßem Auge kaum folgen konnte. Für eine Sekunde wirkte sein
Umriss wie verschwommen, ich schloss beirrt die Augen. Als ich
aufsah, öffnete er bereits die Tür.
„Entschuldigen Sie, ich wurde aufgehalten.“ Vaters Stimme klang
abgehetzt. „Hast du dich umgesehen, Leon? Was sagst du?“
Ich atmete tief durch und strich mit einer fahrigen Bewegung
durch mein Haar.
„Man … man könnte etwas daraus machen, aber ich hab das
Obergeschoss noch nicht gesehen“, entgegnete ich und erschrak, wie
heiser meine Stimme klang. Ich blickte zur Treppe, die sich am
Ende des Verkaufsraumes befand. Als ich vor Alexei die Stufen
hinaufschritt, konnte ich seinen Laserblick im Rücken spüren. Der
Kerl war ein Psychopath, ich hatte ein Gespür für so was. Ein Mentalist
… ein sehr guter auch noch, allem Anschein nach.
Später saß ich neben Vater im Auto und dachte fortwährend
darüber nach, ob Alexei Grigorescu meine Gedanken beeinflusst
hatte. Natürlich konnte ich nicht leugnen, dass er sehr attraktiv war, aber die Tatsache, dass ich ihn wunderschön fand, war mehr als befremdend für mich. Ob er wohl selbst auf Männer stand?
Wir besaßen beide die Fähigkeit der Telepathie, also warum
sollte er nicht auch zusätzlich Gedanken beeinflussen können?
Ich schüttelte den Kopf, als müsste ich mich entsinnen, wo ich
war. Vielleicht war ich nur müde und erschöpft und hatte mir das
alles nur eingebildet. Es war ein langer Tag gewesen.
„Geht es dir nicht gut, Leon?“ Vater riss mich aus meinen Überlegungen.
„Entschuldige, ich war mit den Gedanken noch bei ... bei dem
Gebäude. Ich denke, es war eine gute Entscheidung, eine Nacht
darüber zu schlafen und Herrn Grigorescu dann anzurufen. Aber es
ist alles seriös, glaub mir. Das Gebäude ist das Geld wert.“ Warum
ich das gesagt hatte, war mir ein Rätsel. Schließlich war ich ja nicht
imstande gewesen, die Gedanken dieses Kerls zu lesen. Vater nickte
zufrieden.
Er fuhr mich nach Hause, wo ich wenig später erschöpft in mein
Bett fiel.


Wir befanden uns in dem leeren Laden, Alexei kam auf mich zu. Seine
durchdringenden Augen fesselten mich sofort wieder. Ich versank in
Tiefgrün und ließ mich treiben, in einem Meer verwirrender Gedanken
und Gefühle.
„Leon, komm mit. Meine Gedanken sind die Deinen. Ich werde dir
Dinge zeigen, von denen du nicht einmal gewagt hast, zu träumen.“
Seine tiefe Stimme klang warm und betörend. Ohne zu zögern legte ich
meine Hand in die seine, worauf er mich an sich zog. Ich fühlte mich
geborgen an seiner Brust, die etwas breiter und muskulöser war als
meine.
„Komm mit mir“, wiederholte er wispernd in mein Ohr. Sein heißer
Atem an dieser empfindsamen Stelle ließ mich erschauern.


Ich stand am Fenster und nippte an meinem Kaffee. Der Traum
von letzter Nacht war so real gewesen. Ich glaubte jetzt noch zu
wissen, wie sich sein Atem auf meiner Haut angefühlt hatte und
schüttelte mich.
Er war ein Mann, so wie ich, und doch schwebte Alexei Grigorescus
engelsgleiches Gesicht ständig vor meinem inneren Auge. Ich
ging ins Badezimmer, trat ans Waschbecken und blickte in den
Spiegel. Das erste Mal in meinem Leben stellte ich mir die Frage, ob
ich irgendwie schwul aussah. Was hatte diesen Alexei gestern
Abend zu seiner Psycho-Anmache veranlasst? Ich rasierte mich
jeden Morgen, trug mein widerspenstiges Haar nicht in einem 0815-
Kurzhaarschnitt und benutzte Bodylotion. Mein Körper war nicht
übermäßig muskulös, aber bestimmt nicht feminin. War ich deswegen
ein potenzielles Zielobjekt für Schwule?
Ich lachte beinahe hysterisch auf und spannte meine Brustmuskeln
an. Egal, ich jedenfalls liebte die Frauen – alles an ihnen. Ihre
zarten Körper, ihre makellose Haut … und wie gut sie immer
rochen!
Ich wusch die vielen Fragen in meinem Kopf mit eiskaltem Wasser
ab und atmete tief durch.
Das Penthouse, in dem ich wohnte, lag im siebzehnten Stock
eines Hochhauses mit eigenem Swimmingpool. Vater hatte es mir
zur bestandenen Abiturprüfung gekauft. Meine Halbschwester
Fiona wohnte noch zuhause. Mit sechzehn Jahren befand sie sich
auf dem Höhepunkt der Teenagerzickenphase. Sie war eine liebenswerte
Zicke. Anstrengend, aber liebenswert. Wie die meisten Mädchen
in diesem Alter verliebte sie sich ständig in einen neuen, noch
cooleren Jungen und verbrachte Stunden im Badezimmer.
Ich saß abends gerne auf meiner Dachterrasse und blickte über
die Lichter der Großstadt. Frei wie ein Vogel genoss ich die Aussicht
auf mein geliebtes Berlin. Ich war hier geboren, viele Erinnerungen
verbanden mich mit dieser Stadt. Hier hatte ich meine
Kindheit verbracht und hier fand Vater nach vier Jahren der Einsamkeit
sein zweites, großes Glück. Mutter war bei einem Unfall
gestorben, da war ich gerade mal vier Jahre alt gewesen. Vater lebte
damals nur für seine Arbeit und hatte irgendwann in seiner Einsamkeit
zu trinken angefangen, um zu vergessen. Ich erinnerte mich an
viele traurige Momente.

Und dann, eines Tages, kam Ines und brachte die Sonne zurück
in unser Leben. Ich war acht, als er die Psychologin beim Verkauf
einer Immobilie kennen gelernt hatte. Vater kam mehr als gut
gelaunt nach Hause und lud mich ins Kino ein. Von da an wusste
ich, dass sich alles verändern würde. Zwei Jahre später wurde Fiona
geboren und wir waren eine glückliche, kleine Familie. Ines war es
auch, die mir die Angst vor meinen mentalen Fähigkeiten genommen
hatte und mir zeigte, wie ich damit umgehen und sie steuern
konnte.
Ich richtete den Knoten meiner Krawatte und trat durch die verglaste
Schwingtür in die Empfangshalle unserer Firma.
„Guten Morgen, Leon. Ihr Vater ist bereits in seinem Büro und
wartet auf Sie.“ Frau Gröbner trug wieder diese aufwendige Hochsteckfrisur,
die sie den ganzen Tag über auf ihren perfekten Sitz
überprüfte und war gerade dabei, sich Kaffee einzugießen. Sie war
die gute Seele der Firma und arbeitete schon so lange für Vater,
dass ich mich nicht mehr an die Zeit erinnern konnte, als sie noch
nicht da gewesen war. Ich legte meine Aktentasche auf der Theke
ab.
„Ich geh gleich zu ihm. Steht irgendwas Besonderes an?“
Sie stellte die Kaffeetasse ab, nahm einen Papierstapel von der
Ablage und reichte ihn mir.
„Das sind die Baupläne für das Kaufhaus-Projekt. Ansonsten
wollte Herr Brückner sich noch mal wegen der Wohnanlage in der
Leipziger Strasse melden und Ihr Vater hat am Nachmittag diesen
Termin bei Kellermann.“ Sie setzte sich und tippte etwas auf der
Tastatur des Computers. „Ach ja und Dr. Mertens hat angerufen. Er
ist morgen um zwölf Uhr im Plaza.“
„Ah gut, wir hatten in letzter Zeit selten Gelegenheit zusammen
zu essen.“
Frau Gröbner nickte lächelnd. Tom Mertens war seit der Grundschule
mein bester Freund. Die Praxis, in der er als Zahnarzt arbeitete,
befand sich nicht weit von unserer Firma.
„Und ich habe die Einladungskarten für die Wohltätigkeitsveranstaltung
fertig gemacht. Möchten Sie sie sehen?“

„Später. Ich nehme sie heute Mittag gleich mit zur Post. Und
würden Sie uns bitte Kaffee bringen?“ Ich klemmte mir den Papierstapel
unter den Arm und griff nach meiner Tasche.
„Natürlich, ich bring Ihnen sofort zwei Tassen.“
Vater saß an seinem Schreibtisch und blätterte in einem Ordner.
Als ich eintrat, sah er auf und musterte mich über die Gläser seiner
Lesebrille.
„Guten Morgen, Leon. Na, gut geschlafen?“
Ja, wunderbar. Ich hab von Alexei Grigorescu geträumt. Und dass
ich schwul bin.
War ich froh, dass Vater keine Gedanken lesen konnte.
„Guten Morgen, Paps. Ja, danke, wie ein Murmeltier.“ Ich stellte
meine Aktentasche auf den Boden, ließ mich im Stuhl vor seinem
Schreibtisch nieder und legte die Baupläne darauf ab.
„Ah, die Baupläne vom Kaufhaus der Jansens. Den muss ich
heute noch anrufen.“ Er klappte den Ordner zu und nahm die Brille
ab. „Ich hätte heute Abend noch ein kleines Attentat auf dich vor.“
Ich erwiderte seinen Blick mit einer Mischung aus Neugier und
Überraschung und wollte fragen, um was es ging. In dem Moment
klopfte es, und Frau Gröbner kam mit einem kleinen Tablett, auf
dem zwei dampfende Tassen Kaffee standen.
„Genau das, was wir jetzt brauchen, Maria. Sie sind ein Schatz.“
Vater erhob sich, um ihr die beiden Tassen abzunehmen und stellte
sie auf dem Schreibtisch ab. Ich wartete, bis sie die Tür hinter sich
geschlossen hatte und lehnte mich vor.
„Was wolltest du sagen? Was für ein Attentat denn?“
„Ich habe heute Morgen mit Herrn Grigorescu Senior telefoniert
und ihm soweit zugesagt. Es fehlen aber noch einige Unterlagen, die
ich heute Abend abholen wollte.“
Ich fing an, mit dem Knie zu wippen und zuckte mit den Schultern.
„Das ist doch gut, aber was soll ich dabei tun?“
„Ich habe einen Termin, den ich unmöglich absagen kann. Ich
weiß, heute willst du sicher mit Monika ausgehen, aber denkst du,
du könntest das nach Büroschluss noch erledigen?“
Ich schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter. Ich war nicht gerade scharf darauf, Alexei Grigorescu wieder zu treffen. Ich befürchtete, er würde erneut meine Gedanken lesen und mich mit
seinem Psychoblick hypnotisieren. Im nächsten Moment schalt ich
mich selbst. Schließlich verfügte ich selbst über mentale Kräfte und
diesmal wäre ich vorbereitet. Außerdem hatte ich ja einen Termin
mit seinem Vater und nicht mit ihm.
„Leon?“
Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich einige Sekunden starr in
meine Tasse geblickt hatte und schrak beim Klang meines Namens
auf.
„Was soll das werden, willst du mit deinem Kaffee Kontakt aufnehmen,
oder was?“ Vater schüttelte belustigt den Kopf, dann aber
nahm sein Gesicht einen ernsten Ausdruck an. „Alles in Ordnung
mit dir? Du hast mir gestern Abend schon so einen abwesenden
Eindruck gemacht.“
Ich nahm hastig einen Schluck Kaffee und erhob mich aus dem
Sessel. „Klar ist alles in Ordnung. Schreib mir die Adresse auf, ich
mach das schon. Und mach dir keine Sorgen wegen Monika. Das ist
sowieso vorbei.“
Vater hob eine Augenbraue. „Seit wann das denn?“
„Schon eine Weile. Haben uns aber im Guten getrennt. Wir
passen einfach nicht zusammen.“
„Du hältst es aber wirklich nie lange mit einer aus“, seufzte Vater,
ein mitfühlendes Lächeln legte sich auf seine Lippen.
Ich zuckte mit den Schultern. „Ich glaub, ich bin einfach nicht
geschaffen für Beziehungen.“
„Wenn die Richtige kommt, wirst du es sein, glaub mir. Dann
hast du also kein Problem mit heute Abend?“
„Nein, geht klar, Paps, mach dir keinen Kopf. Gehen wir heute
Mittag zusammen essen? Dann könntest du mir gleich die Adresse
der Grigorescus aufschreiben.“
„Mach ich. Ich danke dir.“
Ich verließ Vaters Büro und machte mich an meine eigene Arbeit.

Die Adresse der Grigorescus führte mich in die Königsallee, einem
Villenviertel. Ich parkte meinen Wagen und atmete tief durch.
Meine Güte, ich sollte nur Unterlagen abholen, nichts weiter. Falls
ich auf Alexei traf, würde ich seine Scheißgedanken halt nicht lesen.
Aber er meine auch nicht. Seinen Psychokram würde er nicht mehr
abziehen können. Ich war vorbereitet.
Ich stieg aus und ging auf das gusseiserne Tor zu. Soweit ich
sehen konnte, war es ein großes Anwesen. Ein mit Buschrosen
gesäumter Kiesweg führte zu der Villa, die wie eine alte Burg
wirkte. Sie war grau gemauert und hatte zu beiden Seiten kleine,
hervorstehende Erker mit spitz zulaufenden Dächern, wie Türme.
Dazwischen befand sich ein Balkon mit einem verschnörkelten
Geländer im selben Stil wie das Eingangstor. Eine breite Marmortreppe
führte hinauf zu einer Haustür aus dunklem, schweren Holz.
Zu beiden Seiten wachten Steinlöwen, denen der Wandel der Jahreszeiten
ziemlich zugesetzt hatte. Ihre großen, dunklen Augen
blitzten aus den mit Moos überwucherten Köpfen hervor und
schienen mich zu beobachten. Ich sah nach oben zu den Fenstern.
Manche Vorhänge waren zugezogen, teilweise die Fensterläden
geschlossen. Ich blickte auf meine Uhr und stutzte. Vielleicht war
überhaupt niemand zuhause. Ich drückte die Klinke des schweren
Tores, das sich quietschend in Bewegung setzte. Einen Moment
bildete ich mir ein, einer der Löwen hätte sich bewegt. Das Biest
aus Stein starrte jedoch noch immer auf die Straße hinunter.
An der Haustür suchte ich nach der Türglocke, aber Fehlanzeige.
Da war lediglich ein Türklopfer aus Messing. Wieder zwei Löwen,
die jeweils ein Ende eines schweren Halbringes in ihren Mäulern
trugen.
So was Spießiges. Ich klopfte dreimal gegen das Holz. Schon bald
öffnete ein älterer, untersetzter Mann die Tür. Er trug eine schwarze
Hose und ein weißes Hemd mit einer Weste darüber, deren
Knöpfe sich über seinem Bauch spannten. Ein ergrauter, lichter
Haarkranz zierte seinen Hinterkopf und eine kleine, runde Brille
saß auf der knolligen Nase. Er deutete eine Verbeugung an und
bedachte mich mit einem unergründlichen Blick aus seltsam abwesenden
Augen. Ein Diener. Noch spießiger.
„Sie wünschen?“ Seine Stimme klang hohl, während er eine Augenbraue hochzog
und den Kopf schräg neigte. Ich trat einen Schritt vor.
„Guten Abend, mein Name ist Leon Bergmann, ich werde von
Herrn Grigorescu Senior bereits erwartet.“

Der Kerl hatte so etwas Eigenartiges an sich, dass ich nicht umhin
kam, in seine Gedanken einzudringen. Ich erschrak über die Leere,
die in seinem Geist lag. Als wäre sein Gehirn mit Watte gefüllt. Ich
war versucht, nach seinem Namen zu fragen und hätte schwören
können, dass er ihn nicht wusste. Meine Überlegungen wurden
unterbrochen, als der alte Mann eine einladende Geste machte, die
Tür weiter öffnete und mich eintreten ließ. Die Eingangshalle war
ungewöhnlich hoch. Es war kühl und roch nach altem Gemäuer. Zu
beiden Seiten erhoben sich mehrere Steinsäulen, die sich an der
Decke zu einem imposanten Gewölbe zusammenschlossen. Der
Fußboden war mit schwarzen und weißen Mosaiksteinchen in
kunstvollen Mustern gefliest. Eine Marmortreppe führte in der
Mitte zu den oberen Räumen, ein roter Läufer erstreckte sich auf
ihrer gesamten Länge. Beeindruckt blickte ich nach oben, wo ein
prunkvoller Kronleuchter aus hunderten von Kristallen hing. Erst
jetzt bemerkte ich, dass ich wie angewurzelt stehen geblieben war,
ein Räuspern holte mich zurück in die Gegenwart. Ich wandte mich
um, der Diener nickte und deutete auf die Treppe.
„Wenn Sie mir bitte nach oben in den Salon folgen würden, ich
werde Herrn Grigorescu unverzüglich davon unterrichten, dass Sie
hier sind, Herr Bergmann.“ Er schritt die Stufen hinauf, ohne sich
umzusehen. Ich folgte ihm, beeindruckt vom Luxus und der Größe
des Hauses. Und doch fühlte ich mich unwohl. Generell war ich in
der Lage, positive oder negative Schwingungen zu empfangen, doch
hier schien es mir, als ob alles tot wäre. Nicht nur Menschen besaßen
eine Seele, sondern auch Gebäude. Ich spürte, ob Schlechtes
oder Gutes in einem Haus passiert war und ob die Menschen glücklich
oder unglücklich gewesen waren. So alt diese Villa auch sein
mochte, es schien, als wäre sie erst vor Kurzem erbaut worden. Als
hätte hier nie jemand gelebt. Kalt, leer und ohne jegliche Geschichte.
Ich fröstelte. Der lange Flur war lediglich durch goldene
Kerzenleuchter an den Wänden erhellt. Wer benutzte heute noch
Kerzen, um ein Haus zu beleuchten? Hier oben erschien es ziemlich düster,
der Geruch von Wachs und alten Möbeln hing in der Luft. Am Ende des Flures
 führte mich der Mann in eine Bibliothek.
Die geschlossenen Fensterläden versperrten mir den Blick nach
draußen. In der Mitte standen ein altmodisches Sofa aus dunkelgrünem
Samt und ein dazu passender Ohrensessel. Auf einem Tischchen
aus dunklem Eichenholz stand ein gläserner Aschenbecher,
daneben lag eine Zeitung. Eine Standleuchte in der Ecke beleuchtete
den Raum dürftig.
„Sie entschuldigen, aber ich habe Feierabend. Herr Grigorescu ist
sofort bei Ihnen.“ Der Mann senkte den trüben Blick und deutete
eine Verbeugung an.
„Ist schon in Ordnung, danke.“ Ich stellte meine Aktentasche auf
dem Sofa ab und setzte mich vorsichtig. Hoffentlich brach das alte
Ding nicht zusammen. Das Zimmer schien aus einer anderen Zeit in
diese Villa hineinprojiziert worden zu sein. Die dunkelroten,
schweren Brokatvorhänge wiesen auf Verschleiß hin, auch die
Tapeten hatten den Anschein, als stammten sie noch aus dem vorletzten
Jahrhundert.
Ich nahm mir die Zeitung. Das Papier war vergilbt und fühlte
sich speckig an. Mein Blick fiel auf das Titelbild. Die Fotografie
zeigte einen Oldtimer, darüber stand der Name Patent Motorwagen
Benz Viktoria. Unter dem Foto stand die Schlagzeile:
Carl Benz spezialisiert sich nun endgültig auf den Fahrzeugbau
und gründet in Ladenburg die Firma Carl Benz Söhne.
Ich suchte nach dem Datum, und als ich es fand, hätte ich beinahe
die Zeitung fallen lassen. Sie stammte aus dem Jahr 1909.
Behutsam schlug ich sie auf und betrachtete die alten Fotos und
Zeichnungen. Anscheinend sammelte dieser Grigorescu Antiquitäten.
Plötzlich wurde die Tür geöffnet, und ich fuhr herum. Im Türrahmen
stand ein älterer Mann, ich schätzte ihn etwa auf siebzig. Er
war blass wie ein Geist, besaß hellgraue, tief liegende Augen und
hohe Wangenknochen. Seine Züge waren kantig, was ihm den
Eindruck von Härte verlieh. Er hatte langes, graues Haar, das er im
Nacken zu einem Zopf gebändigt trug. Gekleidet war er in einen
schwarzen, altmodischen Anzug mit einem Gehrock aus Samt. Es
fehlte ihm nur noch der Zylinder auf dem Kopf und das Bild wäre
perfekt gewesen. Warum hatte ich das irgendwie geahnt? Er musterte mich,
schien überrascht zu sein.

„Verzeihung, junger Mann. Ich hatte jemand anderen erwartet.“
Er sprach mit einem starken, osteuropäischen Akzent, und seine
Stimme klang tief und fest. Irgendetwas in seinem Blick war bizarr,
doch ich konnte es auf die Schnelle nicht ausmachen. Ich legte die
Zeitung zurück, nahm meine Aktentasche und erhob mich.
„Guten Abend, mein Name ist Leon Bergmann. Ich komme im
Auftrag meines Vaters für Bergmann- Immobilien, um die Unterlagen
für das Gebäude in der Oranien Straße abzuholen.“
Seine Miene hellte sich auf, er kam mir entgegen und reichte mir
die Hand zum Gruß. Sie war kalt, die Haut rau und hart wie Sandpapier.
„Serban Grigorescu … sehr erfreut.“
Instinktiv versuchte ich, in seinen Geist einzudringen. Die mentale
Mauer, an der ich jedoch abprallte, war von solch enormer
Kraft, dass ich erschauderte und ein Aufkeuchen unterdrückte. Er
durchbohrte mich mit durchdringendem Blick, zugleich spürte ich
einen kurzen, aber intensiven Kopfschmerz. Als hätte jemand mit
einer Nadel in meinem Gehirn herumgestochert.
Ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen und biss die Zähne
zusammen. Er war also auch ein Mentalist, und ich hatte mich ein
zweites Mal gnadenlos blamiert.
Doch er sprach mich nicht darauf an und machte eine einladende
Handbewegung auf die offen stehende Tür seines Arbeitszimmers.
„Lassen Sie uns in mein Büro gehen, ich werde Ihnen die Unterlagen
sofort heraussuchen.“
Ich betrat vor ihm den Raum. Warum fühlte ich mich gerade wie
ein Insekt, das sich in einem Spinnennetz verfangen hatte? Die
Spinne hinter mir schloss die Tür.
Grigorescu ging auf seinen Schreibtisch zu und bot mir den
Gästesessel an.
„Bitte, nehmen Sie Platz, Herr Bergmann.“ Ohne mich aus den
Augen zu lassen, ging er um seinen Arbeitsplatz herum und wartete,
bis ich mich setzte.
Mein Blick schweifte kurz durch den Raum. Wie überall in der
Villa war hier alles abgedunkelt. Ohne die altmodische Schreibtischlampe
wäre es gänzlich finster gewesen. Die Möbel waren aus dunklem Eichenholz,
und der Schreibtisch vor dem Flügelfenster machte den Eindruck, als wäre er mindestens so betagt wie der alte Herr selbst. Auf dem Schreibtisch türmten sich Papierstapel und
Ordner. Mir fiel auf, dass es keinen Computer gab, und ich fragte
mich, wer heutzutage noch auf diese Weise arbeiten konnte. Überhaupt
schien die Zeit hier stehen geblieben zu sein, was nicht nur
die Standuhr bewies, deren goldenes Pendel stillstand. Auch hier
befanden sich mehrere Bücherregale und ein antiker Rollladenschrank
für Aktenordner. Der mit Leder gepolsterte Stuhl, in dem
Grigorescu nun ebenfalls Platz genommen hatte, war verschlissen
und hatte seine besten Jahre lange hinter sich. Der Geruch von
Staub war hier so intensiv, dass ich den Drang zu niesen unterdrücken
musste.
Ich stellte meine Aktentasche neben mir auf dem Boden ab.
„Mein Vater hat ja heute Morgen mit Ihnen telefoniert. Er wird die
Unterlagen noch einmal durchsehen, aber ich denke, soweit ist alles
in Ordnung. Melden Sie sich, wenn Sie den Termin beim Notar
haben?“
Serban Grigorescu musterte mich.
„Lieber wäre mir, wenn Sie dann noch einmal persönlich vorbeikommen
würden.“
Ich senkte rasch den Blick und zupfte einen imaginären Fussel
von meiner Krawatte. Heilige Scheiße, was war denn das jetzt? Ich
war nicht sicher, wie er das gemeint hatte, aber dieser Typ war ja
noch schräger als sein Sohn. Schon allein dieser irre Blick. Seine
Augen waren schwarze Löcher, die einen zu verschlingen drohten,
wenn man länger hineinsah. Waren sie vorhin nicht grau gewesen?
Alles, was ich antworten konnte, war ein peinlich berührtes „Ähm,
ja.“
„Wo hab ich sie denn nur? Irgendwo hier müssen sie sein“, murmelte
er, während er unzählige Stapel von Papieren auseinander
nahm und durchblätterte. Sein schmales Gesicht wirkte im Schein
der Fünfundzwanzig-Watt-Schreibtischlampe noch blasser, seine
Haut war faltig und dünn wie Pergament und ließ feine Äderchen
bläulich hindurchschimmern. Bei einem Blick auf seine Hände
fielen mir die für einen Mann ungewöhnlich langen Fingernägel auf.
Plötzlich musste ich an die alten Dracula Filme mit Christopher Lee
denken, die ich als Zwölfjähriger oft mit Vater gesehen hatte. Paps
liebte diese alten Schinken immer noch, ich bevorzugte mittlerweile
aktuellere Filme, wie „Van Hellsing“, oder John Carpenters
„Vampire“.
Ich verspürte das dringende Bedürfnis, diesem Christopher Lee-
Verschnitt die Nutzung eines Computers vorzuschlagen und vor
allem, sich eine Sekretärin zuzulegen. Hatte er eine gehabt, sie aber
dann aufgefressen? Das bizarre Bild einer schreienden Frau in der
Mitte eines riesigen Spinnennetzes und einem Grigorescu mit sechs
schwarzen, haarigen Beinen, der sabbernd auf sie zu kroch, tauchte
vor meinem inneren Auge auf.
Endlich fand er die Papiere und legte sie vor. Ich warf einen Blick
hinein, als er sich plötzlich erhob. Ich nahm nur eine fließende
Bewegung wahr. Im nächsten Moment saß er so jäh und unerwartet
vor mir auf der Platte seines Schreibtisches, dass ich im Stuhl
zurückwich und ihn mit großen Augen anstarrte. Wie hatte er sich
so schnell und unbemerkt bewegen können? Ich blickte rasch auf
meine Armbanduhr und fuhr aus meinem Stuhl hoch.
„Entschuldigen Sie, ich habe die Zeit völlig übersehen, ich habe
noch einen Termin. Ich werde mir die Dokumente zuhause mit
meinem Vater durchsehen.“
„Schade … ich hatte gehofft, Sie würden noch zum Essen bleiben.“
Grigorescu erhob sich ebenfalls.
„Z …zum … Essen?“, wiederholte ich überrascht. „Das ist sehr
freundlich, aber ich bin bereits verabredet.“ Ich nahm die Papiere
und wollte sie in meiner Tasche verstauen, da griff eine eiskalte
Klaue nach meinem Handgelenk.

Samstag, 16. Februar 2013

Fanart

Hallo ihr Lieben :)

Heute möchte ich euch zwei wunderbare Fanarts von "Schärfer als Wasabi" präsentieren <3 <3 Gezeichnet hat sie ragisT  - hier findet ihr ihre Galerie:

ragisT

 Nick und Katsuro "Sushi-Time"



 <3 Nick und Katsuro <3

Samstag, 9. Februar 2013

Leseprobe "Schärfer als Wasabi"

Hallo ihr Lieben! Heute habe ich eine Leseprobe aus meinem Coming Out - Roman "Schärfer als Wasabi" für euch! :) Das Buch ist als Printausgabe und ebook beim deadsoft Verlag erschienen und überall im Buchhandel erhältlich. Viel Spaß mit meinen Jungs! ^^




Nick stand verloren am Rande der Tanzfläche und konnte nicht aufhören, Katsuro zu beobachten. Obwohl einige Mädchen versuchten, mit ihm zu flirten und ihn auf die Tanzfläche locken wollten, blieb Nick wie angewurzelt stehen.
Die letzten Tage waren Katsuro und er jeden Tag zusammen gewesen, und jetzt klebte alle zehn Minuten ein anderes Mädchen an seiner Brust. Ach verdammt, was wollte Nick eigentlich? Das hörte sich ja an, als wäre er eifersüchtig. Er sollte Spaß haben, sich amüsieren. Und doch fühlte er sich mit einem Mal unwohl, sein einziger Trost war das sechste Glas Whisky-Cola, das er krampfhaft umklammert hielt.
Katsuro tanzte mit Katrin, sie schmiegte ihren Körper an seinen und betatschte seinen Hintern. Warum tanzte er mit dieser Schlampe, wenn er ihn zuvor noch vor ihr gewarnt hatte? Wenn Katsuro nun mit ihr verschwand und Nick hier alleine zurückließ? Nick spürte, wie etwas in ihm in Aufruhr geriet. Er hatte das Gefühl, zu ersticken.
Katsuro legte seine Hände auf die Hüften des Mädchens und zog sie näher an sich heran. Sie flüsterte ihm etwas ins Ohr, worauf er den Kopf in den Nacken warf und auflachte. Nick trank sein Glas leer und plötzlich tauchte vor seinem inneren Auge ein ganz anderes Bild auf: Katsuro und er tanzten zusammen, eng aneinander geschmiegt wiegten sie ihre Körper im Takt der Musik. Katsuro warf ihm verliebte Blicke zu und dann … oh oh, scheiß Alkohol. Nick stellte sein Glas ab und schüttelte verwirrt den Kopf. Als hätte Katsuro seine Gedanken gelesen, sah er in diesem Augenblick zu ihm herüber. Seine schwarzen Augen hielten Nick einige Herzschläge lang gefangen. Nick schluckte hart, ein heißer Schauder lief ihm über den Rücken. Nur mit Mühe schaffte er es, seinen Blick loszureißen und stürzte fluchtartig Richtung Ausgang.
An der Tür rempelte er jemanden an.
„Heeeey. Wasssssn los, Nick? Geile Party, eh?“
Andy war voll wie ein Haus und stank nach Schnaps. Als er sich taumelnd an Nicks Arm festhielt, riss er ihn fast zu Boden. Nick packte ihn an den Schultern und schob ihn sachte von sich. „Ja cool, aber ich muss mal schnell an die frische Luft, okay?“
„Ja klar, mach das.“ Andy grölte und schwang die Hüften zum Takt, als Hip Hop Musik aus den Lautsprecherboxen dröhnte. Nick stürzte sich in das Gewühl an der Garderobe und zog seinen Anorak unter den Bergen von Mänteln und Jacken heraus. Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss und dämpfte die laute Musik im Haus etwas ab. Er sog die frische Nachtluft ein und atmete lang und schwer aus. Während Nick die Stufen hinab stieg, machte er seine Jacke zu und steckte die Hände in die Taschen. Seine Gedanken und Gefühle verwirrten ihn so sehr, dass er nicht wusste, wie ihm geschah. Er vermisste Vanessa. Sie hatte immer beruhigende Worte parat und hörte zu. Aber was hätte er ihr denn jetzt erzählt? Nick wusste doch selbst nicht, was in seinem kranken Gehirn vor sich ging.
Es hatte wieder zu schneien begonnen. Dicke Flocken fielen sachte zu Boden und hüllten die Nacht in eisiges Schweigen. Nick hob die Hände zum Mund, um sie mit seinem Atem zu wärmen, als ihn etwas Kaltes, Hartes am Nacken traf.
„Heeey!“ Er schrie überrascht auf und wandte sich um.
Katsuro stellte die Flasche Sekt ab, die er sich unter den Arm geklemmt hatte, und bewaffnete sich mit einem zweiten Schneeball. Ein fieses Grinsen zuckte um seine Mundwinkel. Ein, zwei Sekunden lang war Nick unfähig, zu reagieren. Der Schnee schmolz in seinem Kragen und das Eiswasser lief ihm langsam den Rücken hinunter und zwischen seine Pobacken.
„Willst du schon gehen, Nick?“, fragte Katsuro verwundert.
„Ich … wollte nur mal an die frische Luft“, erklärte Nick heiser, als ihn im nächsten Moment ein weiterer Schneeball an der Brust traf. Er hatte nicht mal bemerkt, dass Katsuro ihn geworfen hatte, doch nun erwachte er aus seiner Starre. „Hey!“
Katsuro kam langsam auf ihn zu. „Geht’s dir gut?“
„Na klar“, antwortete Nick, hob eine Handvoll Schnee auf und formte ihn zu einer Kugel, während er Katsuro provozierend ins Visier nahm. „Bis mich dein Geschütz getroffen und mir das Eiswasser den Arsch hinunter gelaufen ist, ist es mir noch blendend gegangen.“
Katsuro lachte auf. Ein lautes, klares Lachen, das Nick eine Gänsehaut bescherte. Dann versorgte er sich erneut mit der matschig-kalten Munition und fixierte Nick hoch konzentriert.
„Du sinnst also auf Rache?“
Nicks Antwort war ein Treffer, der Katsuro glatt die Kapuze vom Kopf fegte, während er ausrutschte und auf den Hintern knallte. Fluchend und lachend zugleich griff er wieder in den Schnee, während er sich aufrappelte.
„Volltreffer!“, schrie Nick und streckte triumphierend einen Arm in die Luft. Der nächste Schneeball traf ihn jedoch so unglücklich vorne im Kragen, dass er aufjaulte, als das kalte Nass seine Brust hinunter rann.
„Na warte!“
Katsuro war so beschäftigt in seinem Siegesjubel, dass er Nicks Angriff erst spät bemerkte. Nick attackierte ihn mit mehreren aufeinanderfolgenden Würfen, denen Katsuro jedoch geschickt auswich.
„Ergibst du dich?“, keuchte Katsuro in die kalte Winterluft, während er leichtfüßig wie ein Panther auf Nick zu rannte.
„Das hättest du wohl gerne!“, erwiderte Nick und stürzte sich mit zwei Schneebällen auf Katsuro, die er in dessen Gesicht verteilte. Katsuro spuckte und prustete vor Kälte und Überraschung. Sie fielen zusammen zu Boden und wälzten sich Kräfte messend im Schnee, bis Katsuro schließlich die Oberhand erlangte und auf Nick liegen blieb.
„Gib auf, Nick. Du weißt, dass du keine Chance gegen mich hast!“ Katsuro drückte Nick mit seinem Körper in den Schnee und hielt ihm die Handgelenke neben dem Kopf fest. Was Nick in diesem Moment fühlte, konnte er sich selbst nicht erklären. Er wusste nur, dass er sich wünschte, Katsuro würde für immer auf ihm liegen bleiben. Zitronentee. Am liebsten hätte Nick tief eingeatmet, um den Geruch noch intensiver aufnehmen zu können. Dank des fahlen Scheins der Straßenlaterne konnte er jedes kleinste Detail in Kats Gesicht erkennen. Das schwarze Haar fiel ihm in feuchten Strähnen in die Augen, die unter dem dichten Wimpernkranz funkelten, und seine Lippen waren halb geöffnet. Sein Mund war so sinnlich, so verlockend … und so nah. Nick hätte nur den Kopf etwas heben müssen, um ihn … oh Gott, schon wieder diese schwulen Gedanken! Nick spürte Kats Oberschenkel in seinem Schritt und schluckte hart. In seinen Lenden begann ein Feuer zu knistern – das durfte doch nicht wahr sein – sein Schwanz zuckte und begann mehr Platz in seiner Jeans einzunehmen, als er eigentlich sollte. Wenn Katsuro das bemerkte, war er geliefert. Nick senkte den Blick und versuchte, sich und seinen Schwanz zu beruhigen. Sein Herz raste, die Zeit stand still.
Das Rascheln von Katsuros Anorak durchbrach die Stille. Er ließ Nicks Handgelenke los und richtete sich auf.
„Na komm, es ist viel zu kalt, um auf dem Boden herumzuliegen.“ Katsuros Stimme klang heiser. Er räusperte sich und reichte Nick die Hand, um ihn hochzuziehen. Als sie sich zusammen erhoben, zitterten Nicks Beine wie verrückt. Katsuro sah sich um, als würde er etwas suchen, lief ein paar Meter in die Dunkelheit hinaus und kehrte mit der angebrochenen Sektflasche zurück.
„Sollten wir nicht noch mal auf das neue Jahr trinken?“ Er reichte Nick die Flasche. Nick nahm sie ihm aus der Hand und nahm ein paar kräftige Schlucke. Verdammt noch mal, die konnte er jetzt wirklich gebrauchen. Der Sekt breitete sich rasch in seinem Körper aus und tat seine beruhigende Wirkung. Er gab Katsuro die Flasche zurück und beobachtete, wie er sie an seine Lippen setzte. Sein Adamsapfel sprang bei jedem Schluck auf und ab, Nick konnte den Blick nicht davon abwenden.
„Katrin wird sich schon fragen, wo ihr Tanzpartner bleibt“, sagte er plötzlich, ohne vorher nachzudenken. Er biss sich auf die Zunge und verfluchte sich selbst.
Katsuro hob die Augenbrauen und sah ihn fragend an.
„Na ja, ich dachte ja eigentlich, du tanzt zwischendurch mal mit mir“, fügte Nick rasch hinzu und grinste verschmitzt, um zu unterstreichen, dass es ein Scherz war. Er hatte keinen blassen Schimmer, warum er das gesagt hatte. Katsuro musterte ihn forschend, dann hellte sich seine Miene auf.
„Die Gesichter der anderen wären es sicher wert gewesen. Aber wenn es nur das ist – kein Problem.“ Er warf die leere Flasche in den Schnee, griff nach Nicks Hand und zog ihn an seine Brust. Diese plötzliche Nähe, auch wenn ihre dicken Anoraks dazwischen waren, ließ Nick erschauern und ihm wurde schwindelig.
„Kat! Spinnst du? Wenn uns jemand sieht!“ Er sah sich panisch um.
„Was sollen sie denn schon großartig sehen? Wir tanzen doch nur. Außerdem sind die doch alle betrunken“, lachte Katsuro an Nicks Ohr. „Übrigens mag ich es, wie du mich nennst. Du bist der Einzige, der Kat zu mir sagt“, wisperte er. Dann lachte er leise und fügte hinzu: „Auch wenn sich das ein bisschen wie Katalysator anhört.“ Sein heißer Atem kitzelte Nicks Haut und löste heftige Hitzewellen aus, die durch seinen Körper jagten. Er legte eine zitternde Hand auf Katsuros Hüfte und vergrub das Gesicht in seinem weichen Anorak. Schmetterlinge tanzten in Nicks Bauch. Irgendetwas war nicht in Ordnung mit ihm. Ganz und gar nicht in Ordnung.
„Du bist echt verrückt“, nuschelte Nick in die weichen Daunen und schüttelte den Kopf.
„Ich weiß“, gab Katsuro zur Antwort. „Und ein bisschen betrunken.“ Er zog Nick in eine festere Umarmung. Nicks Puls schlug hart gegen seine Kehle und nahm ihm die Luft zum atmen. Was zum Teufel machten sie hier eigentlich?
„Mann, wir müssen doch total schwul aussehen“, stellte er kichernd fest. „Außerdem hab ich auch ganz schön gebechert, wir sollten vielleicht doch nach Hause gehen.“ Nur widerwillig konnte sich Nick von Katsuro lösen und stieß ihn sanft fort. „Komm schon, bevor wir hier noch festfrieren!“


***

Katsuro schloss die Haustüre auf, sie hängten ihre Anoraks an die Garderobe und stellten die Schuhe an der untersten Treppenstufe ab. Nick achtete penibel darauf, dass die Schuhspitzen zur Eingangstür zeigten und sie sauber und ordentlich nebeneinanderstanden. Katsuro lächelte ihn von der Seite her an und aktivierte damit schon wieder den Glüh-Modus auf Nicks Wangen. Oben in seiner Wohnung nahm Katsuro zwei Gläser aus dem Schrank über der Spüle.
„Was willst du trinken? Sollen wir mit Whisky-Cola weitermachen?“ In seinem Haar hingen noch glitzernde Schneeflocken, die langsam schmolzen. Er öffnete einen der Unterschränke, suchte kurz und kramte eine Flasche Whisky hervor. Dann hielt er sie hoch und blickte Nick fragend an.
„Klar machen wir damit weiter. Die Nacht ist noch jung.“ Oh Gott, Nick lallte schon etwas, seine Zunge lag wie ein Bleiklumpen in seinem Mund.
„Du meinst wohl, der Tag“, lachte Katsuro, während er den Kühlschrank öffnete. Nick ertappte sich dabei, dass er ihm schon wieder auf den Hintern starrte. Er versuchte sich abzulenken, indem er erneut Katsuros beachtliche Büchersammlung betrachtete. Willkürlich zog er ein Buch aus dem Regal.
„Karate-Do. Die Kunst, ohne Waffen zu siegen“, murmelte er und musterte den Einband. Ein fauchender Tiger auf einem Felsvorsprung war darauf abgebildet, er strahlte Stärke und Überlegenheit aus. Nick blätterte darin herum, als Katsuro mit zwei Gläsern auf ihn zukam.
Er stellte das Buch zurück in das Regal und nahm Katsuro dankend das Glas ab. Ihre Finger berührten sich für eine Sekunde, ein heißer Schauder schoss Nicks Rücken hinauf. Er hob das Glas an seine Lippen und leerte es auf einmal. Katsuro starrte ihn amüsiert an.
„Na, du hast ja einen ordentlichen Zug drauf. Noch einen?“
Er nickte wie paralysiert, Katsuro nahm ihm das Glas aus der Hand. Nick hatte sich nicht getäuscht, die Berührung löste dieselben Empfindungen wie gerade eben aus. Vielleicht sollte er doch keinen Alkohol mehr trinken. Er war ja völlig neben der Spur.
Plötzlich traf ihn etwas Weiches am Kopf.
„Aufwachen! Wovon träumst du denn?“ Katsuro stand mit einem zweiten Kissen in der Hand da, bereit, es Nick ebenfalls entgegen zu schleudern. Nick sah sich automatisch nach etwas um, womit er sich verteidigen konnte, doch er wollte Katsuro nicht mit seinen kostbaren Büchern bewerfen.
„Hey, das ist unfair“, beschwerte er sich, während mit erhobenen Händen auf Katsuro zuging. Katsuro lachte auf, legte das Kissen beiseite und reichte Nick sein Glas.
Sie stießen an, und Nick musste sich zusammennehmen, nicht wieder alles in einem Zug zu leeren. Der Alkohol tat allmählich seine vollständige Wirkung. Warm und flau vernebelte er ihm die Sinne und löschte das restliche bisschen Verstand, das noch übrig geblieben war. Nick beobachtete, wie Katsuro trank und sich anschließend über die Lippen leckte. Oh Gott, warum dachte er gerade darüber nach, wie schön Katsuro war? Diese Achterbahn der Gefühle war kaum noch auszuhalten, er spürte eindeutig Erregung, so sehr er sich auch dagegen wehrte.
Unruhig trat Nick von einem Bein auf das andere, seine Wangen glühten.
„Hattest du eigentlich eine Freundin in Japan?“, fragte er rasch, um sich abzulenken. Katsuro blickte ihn überrascht an, schien mit seiner Antwort zu zögern. Schließlich schüttelte er langsam den Kopf.
„Nein.“ Er machte einen Schritt vor, sodass sein Gesicht nur Zentimeter vor Nicks Gesicht schwebte. „Aber ich … war mit einem Jungen zusammen“, flüsterte er, während er den Blick nicht abwendete. Nick brauchte einen Moment, um zu realisieren, was Katsuro gesagt hatte. Er schluckte hart und wich zurück. Sie sahen sich einige endlose Sekunden an, dann stieß er Katsuro vor die Brust und grinste verspannt.
„Blödmann! Jetzt hättest du es fast geschafft“, lachte er verkrampft und suchte tastend Halt an der Wand hinter sich. Ihm war schwindelig und viel zu heiß. Katsuro erwiderte nichts, doch er verschlang Nick mit einem Blick, der ihm Schweißausbrüche bescherte und seine Zweifel gehörig ins Wanken brachten. Seine Augen funkelten noch dunkler als sonst, voller Leidenschaft und Begierde. Nick lachte hysterisch auf.
„Jetzt hör schon auf mit dem Scheiß, Kat. Ich habe zu viel getrunken, und du machst solche blöden Scherze. Hicks!“ Er schlug sich eine Hand vor den Mund, die andere lag noch immer flach auf Katsuros Brust. Katsuro griff blitzschnell nach seinem Handgelenk und hielt es fest.
„Das war kein Scherz, Nick. Ich bin schwul.“ Katsuro sagte es ruhig, doch in seiner Stimme lag ein Beben.



Fünfzehn

Nicks Kehle wurde eng, und sein Herz fing an, auf Hochtouren zu arbeiten. Er wollte seine Hand wegziehen, doch aus irgendeinem Grund krallten sich seine Finger stattdessen fest in Katsuros Hemd.
„Du … du spinnst doch“, stieß er keuchend hervor, aber Katsuros stechender Blick verschwand nicht.
„Nein.“ Seufzend entließ er Nicks Handgelenk aus seinem Griff und fuhr sich mit einer hektischen Handbewegung über den Kopf. „Es ist die Wahrheit.“
Nick konnte nicht mehr klar denken. Er spürte, wie das Blut mit Höchstgeschwindigkeit durch seine Adern gepumpt wurde und hörte seinen Puls gleich Hammerschlägen in seinem Kopf. Die folgenden Worte sprach er wie in Trance aus.
„Dann beweise es mir doch“, befahl er knapp und hob provozierend das Kinn, während er grob an Katsuros Hemd zog. Katsuro schien überrascht. Seine Augen wurden groß und er begann schneller zu atmen. Schließlich senkte er den Blick und schüttelte den Kopf.
„Wusste ich es doch“, bemerke Nick triumphierend, doch es klang nicht gerade überzeugend. Warum fühlte er gerade so etwas wie Enttäuschung?
Im nächsten Augenblick stieß Katsuro einen Fluch aus, griff nach Nicks Hand und breitete seine Finger flach auf seiner Brust aus. Sein Herz pochte in überdimensionaler Geschwindigkeit gegen Nicks Handfläche. Katsuro führte Nicks zitternde Finger über seine breite Brust, seinen flachen Bauch hinunter und legte sie auf die lange, harte Wölbung in seinem Schritt. Nick keuchte überrascht und wollte die Hand fortziehen, doch Katsuro hielt ihn fest.
„Fühlt sich das an, als würde ich scherzen?“, fragte er rau, in seinen schwarzen Augen flackerte pures Verlangen.
Nick öffnete den Mund, brachte jedoch keinen Ton hervor. Der Ausdruck in Katsuros Gesicht und der „steinharte“ Beweis ließen keine Zweifel an der Wahrheit seiner Worte. Nick hätte nie gedacht, dass ihn so eine Situation je erregen könnte, aber seine Handfläche brannte förmlich auf Katsuros hartem Schwanz. Das Feuer der Leidenschaft schoss seine Wirbelsäule hinauf und breitete sich mit rasender Geschwindigkeit in seinem gesamten Körper aus. Das Verlangen nach mehr überfiel ihn so plötzlich wie ein heftiger Orkan. In diesem Moment wurde ihm bewusst, dass sich dieser Sturm langsam und stetig angekündigt hatte. Unnachgiebig hatte er ihm diese ständigen Herzklopfen und Hitzewallungen beschert, die Erkenntnis traf Nick mit voller Wucht. Er wollte Katsuro fortstoßen, doch zugleich wollte er ihn noch enger an sich ziehen, seine Männlichkeit an seinem Körper spüren. Tief in ihm entflammte ein brutaler Kampf zwischen heftiger Begierde und nackter Angst. Katsuro hob die Hand, seine Finger gruben sich in Nicks Haar, während er ihn mit seinem stählernen Körper gegen die Wand drängte. Seine Dominanz erregte Nick noch mehr, sein Körper und seine Sinne waren in Aufruhr. Sein Schwanz schwoll an und zuckte in seiner Hose. Zum Teufel, er wollte wissen, wie es war … er wollte Katsuro. Sofort.
Katsuros Lippen pressten sich plötzlich so hart und fordernd auf Nicks Mund, dass er überrascht aufstöhnte. In diesem Moment geschah etwas mit ihm. In ihm. Dieser dominante, männliche Kuss war so anders als alles, was er zuvor erlebt hatte. Keine Frau hätte ihn je so küssen können. Sie stöhnten beide auf, als Katsuros Zunge den Weg in Nicks Mund fand und er ihn so wild und leidenschaftlich küsste, dass seine Beine fast nachgaben. Es war wie ein Rausch – viel stärker noch als der Alkohol. Nick wusste, dass er das hier morgen bereuen würde. Es würde das Ende ihrer Freundschaft bedeuten, aber er konnte verdammt noch mal nicht damit aufhören. Er verdrängte diese störenden Gedanken in den hintersten Winkel seines Gehirns und ließ sich fallen. Wild und voller Gier küsste er Katsuro zurück.
Katsuro zog Nick das Hemd aus der Hose und raffte es vor seiner Brust. Er unterbrach ihren Kuss, um ihm das Kleidungsstück mit einer hastigen Bewegung über den Kopf nach hinten bis zu den Ellenbogen zu streifen, wo er es festhielt. Nicks Arme und Hände waren nun unbeweglich hinter seinem Rücken gefangen. Sie fixierten einander, heftig atmend, voller Begierde. Der Moment war erfüllt von geballter Sinnlichkeit und Erotik.

Buch Trailer Eine riskante Mission